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Zur Inszenierung: Don Pasquale am Eduard von Winterstein Theater

Er bekommt, was er verdient!

Die Premiere von „Don Pasquale“ am Annaberger Theater war als Pranger für alte Egos gedacht und gelang als bitterböser Spaß weiblicher Dominanz mitten im bunten Altersschwachsinn.

Annaberger Wochenblatt, 27.4.2016 von E. Figura

Die Aufführung unter der phantasievollen Regie der vielbeschäftigten jungen Susanne Knapp geriet zu einer effektvollen Persiflage der nur in kurzer Zeit (1842/UA 1843) niedergeschriebenen Meisteroper Donizettis.

Das Thema war seinerzeit auch schon nicht mehr neu. Bereits bei Boccaccio und Molière war die Figur des alten, reichen, geizigen Grämlings ausgeschlachtet und belacht worden. László Varga spielt den Don Pasquale innerhalb der bekannten Klischees, aber dennoch so überzogen, dass es nicht selten zu tragisch-komischen Momenten kommt. Alle sind gegen ihn und das aus guten Gründen. Dem Liebespaar Norina (Madeleine Vogt) und Pasquales Neffen Ernesto (Frank Unger) verweigert er Heirat und Vermögen. „Freund“ und Arzt Malatesta (Jason-Nandor Tomory) verhilft der Situation zum Fortgang, indem er seine angebliche Schwester, natürlich die verkleidete Norina, dem Pasquale als junge, naive und lenkbare Braut vorstellt. Fingierter Ehevertrag (Leander de Marel als Notar). Heraus kommt ein unvergleichlich böswilliger Hausdrachen, der Pasquales Geld und letzte Lebenskraft zum Fenster heraus wirft, im wahrsten Sinne des Wortes. Regie und Bühnenbild/Ausstattung (endlich mal wieder: Wolfgang Clausnitzer) haben nicht nur in solchen Szenen enorm gut zusammen gearbeitet.
Don Pasquale sitzt im Rollstuhl, aus dem er sich nach und nach herausarbeitet, in einem Altenheim voller lebenswütiger Alter, die den Jungen ihr Leben abschauen und nachahmen, aufschminken und nachtanzen. Spaßig Kleinszenen von Chor und Kleindarstellern (u.a. Annemarie Wolff, Monika Oberberg und Peter Wolf) „rauben“ den Sängern gar manchmal die volle Aufmerksamkeit. Das Bühnenbild ist ein graubetoniger Rundbau mit Schwingtür und für Rollatoren schwer zu überwindender Stufe. Fenster gibt es wie in einer Festung nur ganz oben, und so hat Ernesto es schwer, Norina zu sehen, seine Klamotten und Koffer zu ordern und dem Ganzen überhaupt beizukommen. Frank Unger erledigt das mit Angst machenden akrobatischen Überkopfverrenkungen.

… ein optisches und spielerisches Feuerwerk

das Kostüme und Figurenzeichnung (z.B.: Nadin Dobbriner als schwarz-weiße alte Gouvernate) hervorbrachten. Die Norina/Sofronia der Madeleine Vogt schoss dabei so den Vogel ab, dass man sich fragte, warum Ernesto beim Happyend nicht ahnen kann, was ihm später blüht. Die agile Vogt stöckelt in reizvollen Kostümen auf Pasquales Nerven, Geldbeuteln, rollenden Tischlein und singt dabei beachtliche Koloraturen und wohlklingende Kadenzen, die manche Vereinfachungen und oben genannte Unhörbarkeiten auszuhalten hatten. Beim Duett Frank Unger mit Madelaine Vogt erlebte das Publikum dann, wie schön im „Fenster der zweiten Welt“ gesungene Liebe sein kann. László Varga gab seinem Don Pasquale eine verfallene Gestalt, ausgefallene Haare (Bravo der Maskenbildnerei!), unbegründeten Liebesoptimismus, aber immerhin so viel Kraft und Wut in der voluminösen Stimme, die man dem alten Zausel gar nicht zutrauen konnte. Tomorys spielfreudiger Arzt Malatesta ist der genießende Intrigant im Klischee des Schwestern (Juliane Roscher-Zücker) vernaschenden Dandys.

Im übervollen Einfallreichtum des Abends sind dem Publikum sicher nicht alle Verweise und Metaphern aufgegangen, nicht jede Todesahnung hat erschreckt, die meisten Frechheiten aber haben erheitert. Und so kann sich das Annaberger und auswärtige Publikum auf einen amüsanten Abend mit jungen spielfreudigen Sängern und alter Vergnügungssucht freuen. Das Leben hat viel zu bieten – und das Theater bleibt seine Schule!