Zur Inszenierung: Frau Luna an den Landesbühnen Sachsen
Mit Cindy auf dem Mond
Sächsische Zeitung, 6.5.2013 von Jens Daniel Schubert
Paul Linckes „Frau Luna“ ist in der Landesbühnenfassung heutig und bunt: gute Unterhaltung mit Schwung und Witz
Im ausverkauften und bis auf den letzten Platz besetzten Stadttheater Meißen war am Sonnabend die Premiere von „Frau Luna“ zu erleben.
Die Landesbühnen begeisterten das Publikum mit einer witzigen wie phantasievollen Inszenierung und einer beschwingten musikalischen Interpretation des beliebten Operettenklassikers von Paul Lincke.
Hans-Peter Preu brachte mit der Elbland Philharmonie Sachsen sowie Chor und Solistenensemble der Landesbühnen die beliebten Schlager („Schlösser, die im Monde liegen“, „Das macht die Berliner Luft“, „Schenk mir noch ein kleines bißchen Liebe“) charmant bis mitreißend zur Geltung.
Szenisch ergänzten sich hervorragend die Schwestern Susanne und Jakob Knapp (Inszenierung und Ausstattung) und Ute Raab, die als Choreografin den Bewegungen auf der Bühne Attraktivität, Kontur und Schmiß gab. Das stilisiert gemalte Bühnenbild, die typisierenden Kostüme und die choreografierte Spielweise heben das Stück aus der Realität, machen es zum theatralischen Spaß, der keine Erklärung braucht. Die Geschichte wird zwar ins Heute geholt, aber nicht tages-politisch aktualisiert. Diese Fassung vermeidet die Psychologisierung von Figuren und Handlung und umschifft so geschickt den moralinsauren Nachgeschmack, den die Story leicht bekommen kann.
Der Star des Abends ist nicht die Titelfigut: Frau Luna, das unerwartetermaßen weibliche Objekt der Sehnsüchte – kein „Mann im Mond“ – wird mit schöner Ausstrahlung von Stephanie Krone gespielt und gesungen. Feinmechaniker Fritz Steppke, der das Mondfahrzeug gebaut und mit seinen Kumpels, dem Steuerbeamten Pannecke und dem dichtenden Schneider Lämmermeier, dem Berliner Alltag entfliegt, ist es auch nicht. Andreas Petzold, Michael König und Kazuhisa Kurumada geben zwar ein unterhaltsames Trio, das auf der bunten Mondoberfläche allerhand Staub aufwirbelt, doch den absoluten Publikumsliebling haben sie als blinden Passagier im Schlepptau. Silke Richter spielt in der Maske von Cindy aus Marzahn, mit Berliner Schnauze à la Helga Hahnemann und einer zupackend einnehmenden Figurengestaltung die Vermieterin Pusebach. Die hat schon einmal einen Mann an der Angel gehabt, den oktopusähnlichen Mondverwalter Theophil, inzwischen liiert mit der Lunaassistentin Stella. Der war dann plötzlich weg. Ihren Pannecke läßt die Pusebach nicht mehr los. Selbst, wenn sie sich an einer Hundeleine zum Mond schleifen lassen und dort allen Göttern und buntschillernden Phantasiewesen, Theophil eingeschlossen, den Marsch blasen muss.
Diese verrückte Mondwelt lebt von den bunten Einfällen der Ausstattung und den genau gearbeiteten und konsequent ausgespielten Bewegungsmustern. Dazu kommen die allzu menschlichen, pointiert inszenierten Typen,
wie der Schlager singende Jupiter von Guido Hackhausen oder die liebesmüde Venus vin Freya Schmidt.
Dass sich zum Schluss die Pusebach ihren Pannecke schnappt, ist klar wie Kloßbrühe. Dass Steppke seiner Marie (Patrizia Häusermann) verfällt, ist auch nicht sonderlich überraschend. Wie viel Stimmung und schwungvolle Unterhaltung Paul Linckes Operette auch heute auslösen kann, zeigen die Landesbühnen in dieser gelungenen Inszenierung sehr überzeugend.
Einmal Mond und zurück
Meißner Tageblatt, 9.5.2013 von T. Grau
„Das ist die Berliner Luft“: den Schlager auf den eigenwilligen Charme der Hauptstadt schrieb Pauul Lincke 1899. Vielleicht war es ja damals schon so, dass sich ausgerechnet in Berlin Lebenskünstler aller Couleur trafen und ihre fantastischen Pläne schmiedeten. In Paul Linckes Operette „Frau Luna“ gelingt es Feinmechaniker Fritz Steppke (Andreas Petzold), dem Schneider und Dichter Lämmermeier (Kazuhisa Kurumada) und dem Steuerbeamten Pannecke (Hagen Erkrath) aber – in Berlin selten genug – ein (aberwitziges) Vorhaben tatsächlich in die Tat umzusetzen: sie bauen eine Rakete und fliegen zum Mond. Vielleicht wurden sie dabei von der Angst vor der bärbeißigen Frau Pusebach (Silke Richter) beflügelt, die einerseits als Vermieterin Steppke kündigen und andererseits den braven Beamten Pannecke unbedingt vor den Traualtar ziehen möchte. Doch die drei Mondfliegie passende deftige Antwort parat.er haben die Rechnung ohne das überaus energische „Pusebächlein“ gemacht: sie kettet sich in letzter Sekunde an die Rakete und fliegt mit. Die vier Berliner mischen gleich nach ihrer Landung die Mondgesellschaft ordentlich auf. Denn auch auf dem Erdtrabanten herrschen offenbar Liebe und Triebe – selbst bei Frau Luna (Stephanie Krone), der Herrscherin des Mondes.
An den Landesbühnen Sachsen hat Susanne Knapp „Frau Luna“ neu inszeniert und die Operette ins Heute geholt. Steppke, Lämmermeier und Pannecke verfolgen ihr „Mondfahrt-Projekt“, wie man es nun wohl nennen müsste, auf dem Hinterhof, der gleichzeitig ein gutes Versteck vor Frau Pusebach bietet, die hier ein wenig an „Cindy aus Marzahn“ erinnert. Nicht jede Anspielung aufs Zeitgenössische erschließt sich. Immer wieder ziehen Demonstranten durchs Bild, die mal „mehr Kitaplätze“ fordern und mal wünschen, dass doch die „Frauen zurück an den Herd“ gehen mögen. Doch eine wie die Pusebach oder Steppkes Freundin Marie (Miriam Sabba) hätten auf so etwas die passende deftige Antwort parat. Die Operetten-Schlager mit „Berliner Schnauze“ funktionieren heute immer noch gut, und die Sänger glänzen auch als Darsteller.
Auch die Mond-Szenen haben Charme und Witz: Da kämpft Theophil (Fred Bonitz) um die Liebe seiner zickigen Stella (Iris Stefanie Maier), tanzen die Mondelfen und ist Frau Luna natürlich eine Femme fatale. Operette bleibt Operette, am Ende wird heute wie vor 100 Jahren alles gut und jeder einigermaßen glücklich.
Viel Beifall für „Frau Luna“ und die wackeren Mondfahrer.