Zur Inszenierung: Gärtnerin aus Liebe
Mozarts Gärtnerin aus Liebe: Traum und Albtraum
von Frauke Adrians (Thüringer Allgemeine, 02.10.2006 )
Die Lage ist verzweifelt, aber Verzweiflung lässt das Eisenacher Ensemble nicht zu. Es hält seine eigenen, künstlerischen Mittel dagegen. Die Premiere von Mozarts „Gärtnerin aus Liebe“ erlebt eine Premiere unter dem Damoklesschwert, aber das merkt man ihr nicht an. Das Eisenacher Theater, das nach dem Willen der Landesregierung sterben soll, lässt sich nicht kleinkriegen.
EISENACH. Von wiedergefundener Hoffnung spricht Intendant Michael W. Schlicht, als er sich ans Publikum wendet: der Hoffnung, dass der sich formierende Widerstand das Ende von drei Thüringer Theatern und vier oder fünf Orchestern noch abwenden kann. Eisenachs Ensemble kämpft um seine Zukunft, auch und vor allem mit seiner Arbeit, seiner Kunst. Sie ist durch nichts zu ersetzen, schon gar nicht durch austauschbare Gastspiele.
Die eigenwillige „Gärtnerin aus Liebe“ gibt es nicht von der Stange. Die Inszenierung von Susanne Knapp bürstet die Opera buffa gegen den Strich und macht aus ihr ein sowohl komisches aus auch beklemmendes Drama, ohne Mozart zu verbiegen. Dass sich am Ende nicht drei Paare finden, dass aus Liebe nicht nur gegärtnert, sondern auch gestorben wird – in der Rolle des Ramiro, in seinen schmerzvollen Arien im Sarabanden-Rhythmus ist ein solches Ende angelegt. Das Liebespaar Violante und Belfiore schreitet über seine Leiche hinweg. Liebe ist nicht nur blind, sie kann verdammt egoistisch sein.
Nur: Was ist das für eine Liebe? In der Eisenacher Inszenierung gerät sie zur Quälerei. Violante, die falsche Gärtnerin, peinigt Belfiore mit ihrer Camouflage bis an den Rand des Irrsinns. Die Regisseurin entkleidet „La finta giardiniera“ der tändelnden Leichtigkeit eines Verwechslungsspiels, ohne dass die Oper ihren Humor verliert. Der Witz liegt in der Zeichnung von Typen, die bereit sind, ein Surrogat anstelle der Liebe zu akzeptieren: Graf Belfiore (Jörn Lindemann), der sich mit panischem Flattertenor dem Vamp Arminda (Sabina Martin) in die Arme wirft, um nicht länger von der Erinnerung an Violante verfolgt zu werden; der Podestá (Enrico Lee), der sich pantoffelwerfend lächerlich macht; Nardo, der nicht aufhört, mit klangvollem Bass ein schönes Biest von Dienstmädchen (Katharina Göres als Serpetta) anzuschmachten.
Tragisch ist allein Ramiro, dem Nadja Stefanoff mit ergreifend ungekünstelten, wenn auch leicht schleppenden Arien Größe verleiht, eine bewusst statische Größe. Die Heldinnen des Dramas sind beweglicher, gerissener: die stärkeren Charaktere. Auch Violenta, die trotz putzigen Auftretens in Gummistiefeln und Rasenröckchen unnachgiebig sein kann. Krista Kujalas Tremolo ist zu schwerfällig, um schön zu sein, aber gerade in den hohen Lagen ist ihre Stimme beachtlich. Der unter Leitung von Till Hass anmutig und rhythmisch prägnant spielenden Landeskapelle gelingt es sehr gut, das Hin- und Hergerissensein der Heldin zu illustrieren; das Orchester lotet das Düstere der Partitur aus.
Susanne Knapp schießt übers Ziel hinaus, wenn sie Belfiore und Violante ins All schießt; das Zitat der Ikarus-Sage wirkt etwas aufgesetzt. Aber der dichten Atmosphäre der Inszenierung kann man sich nicht entziehen. Zu verdanken ist das nicht zuletzt dem Bühnenbild. Jakob Knapp, Schwester der Regisseurin, setzt verspielte Elemente ein – Puppen, Schattenspiele – und verkehrt sie ins Bizarre; ihr Wald ist ein Nirgends-Ort, eine Stätte des Horror vacui, an der das Heldenpaar der Finsternis begegnet und einer Horde lächerlich-schauriger Masken. Skurril, befremdlich; wie ein Traum.
Im Garten tanzen Kinder, eines für jeden Akteur. Die Erwachsenen blicken wehmütig zurück in eine Zeit, da es leicht war, Freunde zu finden, so leicht wie der unbefangene Umgang mit dem anderen Geschlecht. Die Schwestern Knapp, die vom Premierenpublikum gefeiert wurden, finden für das Drama der Liebe und ihres Verlustes starke Bilder und eigenwillige Figuren.
Die Landesregierung ist der Ansicht, Eisenach braucht kein Theater und kein Orchester.
Der Zauber der deutlichen Kontraste
von Wolfram Klante (Südthüringer Zeitung) 4.10.2006
Zwischen dem Bangen um den Bestand des Hauses im Zuge der freistaatlichen Sparpläne sorgt das Landestheater Eisenach noch immer auch künstlerisch für Schlagzeilen. Am Samstag feierte die Oper „Die Gärtnerin aus Liebe“ von Mozart Premiere.
EISENACH – In den Komödien des 18. Jahrhunderts sorgten bevorzugt Verwechslungs-, Verwirr und Ränkespiele für Kurzweil und Spannung. Obwohl sich erwiesen hat, dass bei einer 1:1-Umsetzung der Originale unterm Strich auch heute noch lebendiges Theater herauskommen kann, sattelt das moderne Regietheater – ob zum Heil oder Unheil des Ganzen – gern psychologisierend drauf.
Wenn solche Intentionen einem wenig bekannten und kaum gespielten Stück gelten wie Mozarts früher Oper „La Finta Giardiniera“ (frei übersetzt: „Die Gärtnerin aus Liebe“), wären Untertitel durchaus wünschenswert gewesen, auch wenn die deutsche Übersetzung gesungen wurde. Denn die Psychologie des Werkes vermittelt sich zunächst über den Text.
Die auf den ersten Blick schwer zu entflechtende Handlung lässt sich im Grunde auf die einfache Frage „Wer wen?“ zurück führen. Die ebenso einfache Antwort lautet: Am Ende bleiben drei glückliche Paare übrig. Das klingt freilich sehr simpel, ist aber nur die Folie, auf die die Einfälle der jungen Gastregisseurin Susanne Knapp nur so sprudeln. Nicht minder die ihrer Schwester, als Ausstatterin. Beide geben dem Theater, was des Theaters ist und zaubern einen schier unerschöpflichen Kontrastreichtum auf die Bühne.
Traum und Wahnsinn
Im Mittelpunkt steht Mozart’scher Realismus, der die starren Grenzen zwischen seriösen und komischen Charakteren durchbricht. Eigenwillig interessante Schattenbilder, Leinwand-Projektionen und Lichteffekte bereichern das Geschehen mit Symbolgehalt. Zu kosmischen Dimensionen erweitert, grenzen die Visionen an Traum oder Wahnsinn.
Von den drei Schauplätzen der Handlung hinterlässt der Wald, in dem das Unheimliche haust, in dessen Dunkelheit die Menschen sich verirren und verkennen, den tiefsten Eindruck. Ein komplettes Psychogramm aus Anziehung und Abstoßung, Liebeswunsch und Liebesfrust, Konflikt, Angst, Eifersucht und Verzweiflung vernetzt die Akteure. Seine Träger: Der mehr oder weniger komisch wirkende Podesta (Enrico Lee), Violante (Krista Kujala) und ihr gewalttätiger Geliebter Belfiore (Jörn Lindemann), die eifersüchtige Serpetta, die schließlich den ihr standesgemäßen Nardo nimmt. Ramiro (Nadja Stefanoff) liebt die untreue Arminda (Sabina Martin). Von ihr abgewiesen, finden beide auf übernatürliche Weise doch zueinander.
Man kann geteilter Meinung darüber sein, ob die Puppen, die kindlichen und erwachsenen Statisten mehr als nur gut gemeinte Zutaten waren. Der hervorragende Sängerstab, auch sprecherisch weit überdurchschnittlich, verbietet eine differenzierte Wertung. Den Höhepunkt bildete zweimal das „Fest der Stimme“, besonders unter die Haut gehend im letzten Finale. Als Gegenpol zu den Turbulenzen hielt die Klarheit von Mozarts Musik dank der Landeskapelle unter Till Hass die unerschütterliche Balance.