Zur Inszenierung: Blaubart
Aus Gutachten zu „Herzog Blaubarts Burg“
– Diplominszenierung –
Susanne Knapp entwickelt eine wahrhaft ungewöhnliche szenische Phantasie – namentlich dann, wenn das Innere szenisch dargestellt werden und zugleich als Inneres kenntlich gemacht, vor lautem Zugriff geschützt werden soll. Dies wäre zu beschreiben anhand einzelner Inszenierungen – etwa anhand der Tanz-Spiele in „Herzog Blaubarts Burg“, die allem so naheliegenden Naturalismus ein für allemal den Abschied geben; etwa anhand der Rituale, denen Judiths und Blaubarts Zueinander und nachfolgende Abwendung gehorchen (beeindruckend auch die Formstrenge! Hier wird Raum konstituiert, mit Raum gearbeitet, Raum erfüllt oder auch verweigert, je nachdem!). Szenischer Reichtum und Konzentration auf Wesentliche – beides gehört zusammen … Das Werk ernst zu nehmen heißt, sich auf die musikalisch-theatralischen Botschaften einzulassen, d.h. der Musik ganz zuzuhören, ihre Bedeutungsschichten aufzunehmen. Gutachter hat keineswegs allzu viele Inszenierungen gesehen, die so „musikalisch“ sind wie die Begutachtete… Das Werk ernst zu nehmen heißt, sich zu einem Theater psychologischer Figurenführung zu bekennen. Genau dies tut die Regisseurin, und sie hat außerordentlich viel mitzuteilen über die psychischen Situationen der Figuren – dies im Aufnehmen einer musik-gewordenen Psychologie des Komponierens, aber auch im Nachdenken über Situationen von Menschen heute.
Prof. Dr. Gerd Rienäcker
Susanne Knapp hat sich in gemeinsamer Arbeit mit ihrem Produktionsteam klar entschieden: hier geht es um Gefühlswelten weiblicher Art, um Leiden und Erleiden von Zuständen, die Urmythen berühren, Vergangenes aufarbeiten wollen, letztlich um Leben und den Willen frei zu atmen, koste es auch den Tod. All das wird tatsächlich angesprochen im stringenten Verlauf der Inszenierung. Der ausgestattete Raum leistet bewusst Verzicht auf eine reale Türenschau und ist denkbar einfach konzipiert und verblüfft doch gerade aufgrund dieser gewählten Simplizität durch eine starke theatrale Wirkungskraft an exakt fixierter Platzierung. Das ureigentliche des musikdramatischen Mediums steht zentral im Mittelpunkt: die menschliche Darstellung. Auf sie hat sich alle Arbeit von Susanne Knapp konzentriert. Im dialogischen Wechselspiel kann sich hier zwischen Judith und Blaubart eindrucksvoll das Psychogramm einer Beziehung entwickeln. Dies führt Susanne Knapp mit will sagen fast „religiöser“ Konzentration vor. Kein Augenblick, keine Sekunde verliert an Spannung, jeder Moment ist erfüllt vom Wesen des Wollens und des sich Hingebens. „Hingabe“ ist vielleicht auch hier das richtige Wort, um den Vorgang des Inszenierens der Diplomandin zu beschreiben. Dabei handelt es sich
um eine sehr persönliche Hingabe, die ganz in den Inhalten des Werkes aufgeht, und die unnachgiebig und einfühlsam die Darsteller im Sinne dieser Bedeutung an die Grenzen des möglich Aufzeigbaren führt. Unter Verzicht jeglichen realistischen Ansatzes werden hier Gefühlszustände analytisch seziert und dem Publikum nachdrücklich präsentiert, grausam und schön. Da, wo die Sänger jeweils in Grenzbereichen menschlicher Darstellung sich befinden, verkörpern die Tänzerinnen deren figurale Innenwelt. Auch hier entfaltet sich ein visuelles Wechselspiel, das äußerst assoziationsreich Bilder schafft, die in Erinnerung bleiben. So akribisch und genau die Inszenierung im Detail gearbeitet und ausgearbeitet ist, so lobenswert, wunderbar und sehenswert ist die kleine aufführungsbegleitende Ausstellung zum Stück.
Prof. Claus Unzen