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Zur Inszenierung: La Bohème

Opernfestival Chiemgau: Liebe unterm Sternenhimmel

Susanne Knapp brachte Puccinis „La Bohème“ auf die Bühne der Reithalle von Gut Immling

von Tobias Hell, in: Münchner Merkur, 06.07.2009

Es ließe sich sicher streiten, ob Puccinis „La Bohème“ mit Weihnachtsmarkt und Schneetreiben auf der Bühne unbedingt das richtige Stück für ein sommerliches Festival ist. Andererseits wurden wir aber in diesem Sommer ja bislang vom Wetter noch nicht unbedingt verwöhnt. Und nachdem das Publikum den veristischen Dauerbrenner einfach in jeder Jahreszeit zu lieben scheint, hatten die Festspiele auf Gut Immling damit für ihre zweite Premiere der laufenden Saison genau den richtigen Griff getan. Dass die Bühne der zum Opernhaus umfunktionierten Reithalle in Sachen Technik nur wenig zu bieten hat, war für Susanne Knapp kaum ein Problem, da die Regisseurin diesem Umstand mit viel Fantasie und Humor zu begegnen wusste. Bereits das mit zahlreichen Slapstick-Einlagen aufgepeppte erste Bild geriet ihr äußerst kurzweilig und steuerte einem poetischen Finale entgegen, bei dem Knapp nicht nur den besungenen Mond für das Liebespaar aufgehen lässt, sondern gleich einen ganzen Sternenhimmel auf die karg ausgestattete Bühne zaubert.

Mario Zhang war ein Rodolfo von der eher robusten Sorte, der zu Beginn noch ein paar Takte benötigte, um seine Stimmbänder auf die rechte Betriebstemperatur zu bringen. Dann jedoch verblüffte der chinesische Tenor mit endlos gehaltenen Spitzentönen und großer Durchschlagskraft, die jedem noch so groß dimensionierten Orchester Paroli bieten kann. Hörbar mehr zu kämpfen hatte da leider seine Partnerin Csilla Boross als Mimi, deren harter Sopran in der Höhe oft zum Schrillen tendiert und nur wenig Charme versprüht. Doch für die Ehrenrettung ihres Stimmfaches sorgte zum Glück schon wenig später die Koreanerin Hyuna Ko, die sich mit dem berühmten Walzer virtuos in Szene setzte, danach aber auch die mitfühlende Ader der leichtlebigen Musetta zum Vorschein brachte und der Figur so eine ungewohnte Tiefe gab. Ihre bessere Hälfte Marcello war beim kraftvoll auftrumpfenden Avez Abdullajev ebenfalls in guten Händen, der ein spielfreudiges Künstler-Quartett anführte, das von Fernando Araujo und Jacek Janiszewski mit routinierten Leistungen komplettiert wurde.

Im Graben ließ Georg Schmöhe dazu die Geigen der Münchner Symphoniker teilweise ganz schön kräftig drauflos schmalzen. Doch unterm Strich hielt der Dirigent meist eine relativ gesunde Balance aus ernstem Realismus und sentimentalem Kitsch, was nicht zuletzt den Sängern zugute kam. Warum aber im zweiten Bild unbedingt noch die deplatzierte „Carmen“-Ouvertüre eingeschoben werden musste, bleibt ein Geheimnis des Produktionsteams. Vielleicht ist sie nur eine wenig subtile Werbemaßnahme für das kommende Jahr, wenn Bizets Zigeunerin in Immling ihren großen Auftritt haben wird.

 

Adelheid Wanninger, in: „Echo Rosenheim“, 09.07.2009
…Wie sehr dieses Stück um Leben, Liebe, Freundschaft und Tod bis heute die Herzen der Zuhörer berührt, konnte man … auf der zweiten diesjährigen Premiere der Opernfestspiele Gut Immling bei der Neuinszenierung von „La Bohème“ unter der Regie von Susanne Knapp erleben. Ihr ist es besonders wichtig, die Extreme des Bohemien-Lebens herauszustellen: Armut, Höhenflüge, rauschende Feste, Einsamkeit, Lieben und Sterben. Doch die Bohemiens sind Lebenskünstler: sie jammern nicht, sie leben einfach, wissend, dass man nichts festhalten kann – weder Geld noch Liebe, noch Leben. In einem Leben voll Unsicherheit ist Fantasie, Leichtigkeit und Improvisationstalent gefragt. Wie aktuell dieses Thema doch ist!…

 

Christoph Bauer, in: „Traunsteiner Tagblatt“, 09.07.2009
…Susanne Knapp erwies sich als versierte Regisseurin, die Einfälle voll Subtilität und wacher Intelligenz gingen ihr niemals aus…