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Zur Inszenierung: Rita/ Der Bär am Nordharzer Städtebundtheater

Bosheit im Doppelpack

Mitteldeutsche Zeitung, 15.10.2013 von Uwe Krauß

Publikum erlebt eine Doppelpremiere von zwei Einaktern in der Neuen Bühne. Virtuose Leistung von Sängern und dem Mann am Klavier

 

Die Regisseurin. Vierte Inszenierung

Susanne Knapp, die 1976 geboren wurde, inszenierte am Nordharzer Städtebundtheater bisher „La Traviata“, „Le nozze di Figaro“ und „Werther“. 1998 bis 2004 studierte sie Musiktheater- und medienregie an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin und besuchte Regiekurse bei Arila Siegert, Sasha Waltz, Harry Kupfer und Peter Konwitschny. 2005 ehrte man sie als Preisträgerin des „Peter Konwitschny Nachwuchsregiewettbewerbs“ für ihr Konzept „Carmen – ein Kammerspiel“ am Landestheater Eisenach. Auch 2005 wurde sie Stipendiatin der Darstellenden Kunst und Mitglied der Jungen Akademie an der Akademie der Künste in Berlin.

Quedlinburg/ MZ – Tragisch, am Ende sind fast alle tot. Doch bis dahin wirkt alles so lebendig, so vielschichtig und spannend, was da Susanne Knapp in ihrer nunmehr vierten Inszenierung am Nordharzer Städtebundtheater auf die Bühne bringt.

So unterschiedlich die beiden Frauen in Donizettis Einakter „Rita oder der geprügelte Ehemann“ und in „Der Bär“ von William Walton sind: Es eint sie, dass sehr gutes musikalisches Material vorliegt und dass es Drei-Personen-Stücke sind, in deren Zentrum eine Frau steht. Rita gibt sich kraftvoll, bis dass das Blut ihrem Mann über die Wange rinnt; die Popowa dagegen hat sich tief in ihre Trauer vergraben.
Die Regisseurin setzt ihre Inszenierung allein mit einem Mann am Klavier um. Ein gewaltiges Wagnis, den Orchestersound und Donizettis musikalisch spannende Partitur ganz allein einem Pianisten aufzuerlegen. Michael Korth meistert diese Herausforderung grandios, wobei seine Virtuosität nie Selbstzweck ist.

Die Kammerbühne erlaubt eine starke Bündelung und bietet der Regisseurin die Chance, viele Feinheiten herauszuarbeiten. Das macht den Reiz der Inszenierung aus. Beide Stücke entfalten eine Vielzahl psychologischer Facetten.

Die Schwester der Regisseurin, Jakob Knapp, wirkt erstmals als Ausstatterin am Nordharzer Städtebundtheater. Sie teilt mit sparsamen Mitteln die Szenerie in Innen- und Außenwelt. Ritas Welt ist eine Bar, weiß übertüncht. Die Ausstattung des Zimmers der Popowa nimmt die Farbe ihres seelenzustands an: Schwarz. Morbid und verbunkert lebt die Frau an der Seite ihres Dieners Luka hinter schweren Vorhängen.
Bettina Pierags schlüpft im unschuldigen Weiß in die Rolle der Wirtin Rita; vom ersten Ehemann verprügelt, dann ihren zweiten Gatten Beppe schlagend, steht sie plötzlich beiden gegenüber. Mit agilem Sopran singt sie schöne Koloraturen, mal fast zärtlich und liebevoll, dann wieder herrschsüchtig und tyrannisch. Die Männer, die um Rita streiten, Klaus-Uwe Rein und Tobias Amadeus Schöner. Ihr Ziel bei Duell und Glücksspiel: sich von der zänkischen Gattin zu befreien und sie dem anderen überlassen. Schöner geht körperlich zwar auf die Bretter, sängerisch jedoch stimmlich recht beweglich auf tenoralen Höhenflug.
Der Erzkomödiant Rein klingt nicht weniger markig und liefert einen souveränen Doppelauftritt. Erlebt das Publikum ihn doch auch in der geistvollen Buffo-Oper „Der Bär“ als Diener Luka. Darin nimmt Walton immer mal wieder musikalische Anleihen bei Rossini, Donizetti und Puccini, Britten und Strauß auf, während die Textvorlage die Komödie „Der Bär“ von Anton Tschechow ist.
Gerlind Schröder verbarrikadiert sich als exzessiv trauernde tugendhafte Witwe Popowa im Mausoleum ihrer Erinnerungen. Doch dann erscheint Smirnow, ein Gläubiger des Verstorbenen, und fordert 1300 Rubel ein. Popowa schilt den Störenfried einen „Bären“ und fordert ihn zum Pistolenduell. Wobei sie so ein Schießeisen noch nie in der Hand hielt und sich den Umgang damit erklären lassen muss. Schröder wird dramatisch, pendelt zwischen vergehender Trauer und aus der Verkrustung brechender Herzlichkeit. Eine Freude, dieses urkomische Duell zu erleben.
Bariton Kai-Uwe Fahnert, der einst am Haus engagiert war, gibt einen etwas ungeschliffenen, aber durchaus sensiblen Smirnow, der nicht nur Forderungen stellt, sondern die Dame ins Herz schließt.Schließlich können beide nicht aufeinander schießen; Luka trifft sie in zärtlicher Umarmung an.