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Zur Inszenierung: Saul am Theater Münster

Herrscher will nicht weichen

Überraschend aktuell: Händels szenisches Oratorium „Saul“ in Münster

Wesfälische Nachrichten vom 29.10.2018 von Harald Suerland

König Saul grollt. Haben doch seine Untertanen gerade dem jungen Helden David nach seinem Sieg über Goliath gehuldigt – mit Freudentönen und Glockenklängen. In einer kurzen Arie schleudert Saul seinen Zorn auf den möglichen Nachfolger hinaus: eine der schönen Kontrastwirkungen, die Händels Oratorium „Saul“ so mitreißend machen.

Das Münster Theater bietet jetzt eine staunenswert verschlankte Version dieses szenischen Oratoriums, das ohnehin wie eine verkappte Oper anmutet und nach einer Inszenierung geradezu ruft. Die hat Susanne Knapp geschaffen im großen Haus.

(…)Gastdirigent Michael Hofstetter entzündet mit dem Sinfonieorchester Münster ein barockes Klangfeuerwerk, das – natürlich – auch mit jenem knackigen Pomp aufwarten kann, für den der Name Händel steht: gleich die erste Chornummer bringt den Zuhörer in Halleluja-Stimmung. Doch mit der so kleinen wie farbkräftigen Besetzung gelingen vor allem klangliche Feinheiten, die schon beim eröffnenden Trauermarsch (anstelle der Ouvertüre) aufhorchen lassen und in der großen Arie Davids mit anschließendem Harfensolo gipfeln. (…)

Dirigent Michael Hofstetter und Regisseurin Susanne Knapp bieten eine sehr eigenwillige, aber stimmige Interpretation des Werkes, die so dunkel endet, wie es der zu Beginn platzierte Trauermarsch bereits andeutet.

Zu den Streichungen, die den Abend auf gut zwei Stunden straffen, gehört auch der eingesparte Chorjubel am Schluss. Denn dem eifersüchtigen Titelhelden, der nicht weichen will, folgt mit David ein Herrscher nach, der sich schon frühzeitig auf dem Thron lümmelt – Ausstatter Christopher Melching hat ihn hoch in das abgeschabte Kachelambiente seines Bühnenbildes gestellt.

Die dräuenden Video-Wolken, das zu synchroner Bewegung gezwungene Volk oder die Verdunkelung der Szene vermitteln eine pessimistische Sicht auf die Geschichte: Mit David wird die Welt nicht besser. Auch zu dieser dunklen Seite des Stücks hat Händel faszinierende Musik geschrieben. Sie wirkt hier überraschend aktuell.

Gnadenloser Abstieg vom Thron

Regisseurin Susanne Knapp inszeniert das szenische Oratorium Saul

Westfälische Nachrichten vom 23. Oktober 2018 von Gerhard H. Kock

„The winner takes it all“ – diese von ABBA besungene Gnadenlosigkeit hat biblische Dimensionen von historischem Ausmaß. Gleich dem ersten König der Israeliten widerfährt jenes grausame Schicksal: „Saul“. Georg Friedrich Händel hat dessen Geschichte in ein szenisches Oratorium gepackt, das von Susanne Knapp für das Große Haus des Theaters Münster in Szene gesetzt wird. Am Samstag ist Premiere. (…)

Für Knapp erzählt Händels „Saul“ den Aufstieg und Niedergang von Menschen, die an die Macht gekommen sind. Und sie stellt sich die Frage, was mit einem Volk passiert, das sich von einem König Heil verspreche, das er nicht einlösen kann: „Wie willkürlich ist so eine Masse bei der Wahl ihres Königs?“ Schließlich wird mit David ein Hirtenjunge zum vergötterten König. Knapp: „Im Saul finden sich drei Dramen: ein politisches, ein menschliches und ein biblisches Drama.“

Bei allem Verdacht gegen eine gefällige Barockmusik – Händels Komposition sei „vielfarbiger als nur schön“. Knapp: „Es steckt unheimliche Schärfe in dem Werk, auch teuflische und abgründige Passagen.“ Und je länger man sich mit der Musik beschäftigte: „Diese Musik ist auch ein Trost.“
In ihrer Inszenierung will Knapp dem Barock lediglich in Anspielungen Respekt erweisen – „optische Schnipsel“.

In der Architektur-Landschaft von Christopher Melching ist der Thron das Machtzentrum, das wie eine Halfpipe hochgeht – Verbindung zu Gott in einem Raum, der aus Kacheln besteht. Kacheln kann man putzen, und damit wird die Hexe von Endor beschäftigt sein.

Knapp hat zusammen mit dem musikalischen Leiter Michael Hofstetter „eine sehr energische Strichfassung“ auf 120 Minuten vorgenommen. Was sie sich für die Zuschauer erhofft? „Dass sie von den vielen starken Bildern berührt werden, im besten Fall wirklich betroffen sind. Denn das Oratorium hat eine große Poesie mit seinem Reichtum an musikalischen Farben.“