Inszenierung

Die Hochzeit des Figaro

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„Das Unausgesprochene,
das Verdrängte,
das nicht Zugelassene
ist in unserem Leben immer die stärkste Kraft.“
Oper von Wolfgang Amadé Mozart
Musikalische Leitung: Martin Hannus
Inszenierung: Susanne Knapp
Ausstattung: Alrune Sera

Nordharzer Städtebundtheater 2010
Premiere: 13. Februar 2010, Halberstadt

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Susanne Knapp im Interview

Wie erzählt man heute eine Geschichte, die ausgelöst wird durch den Streit um das längst vergessene damals so genannte “Recht der ersten Nacht”?

Schon zu Beaumarchais Zeiten gab es das „Recht der ersten Nacht“ nicht mehr. Dieses Recht war nur im Mittelalter aktuell. In der Literatur wurde es als Motiv jedoch immer wieder verwendet, vermutlich wegen der auslösenden Konfliktschärfe. Genauso müssen wir es betrachten. Wenn die Liebe bedroht ist, weil ein Rivale sich das Recht nimmt, einem die angetraute Frau wegzunehmen, passiert doch etwas. Das geht uns im Leben auch ohne das „Recht der ersten Nacht“ so. Eifersucht, Betrug, Verlustangst – das sind die Schattenseiten der Liebe. Daraus werden Geschichten gemacht. Ein „Recht der ersten Nacht“ verschärft diese Thematik natürlich, es verstärkt den Konflikt im Drama. Ich denke, dass wir uns der Dinge und Menschen, die wir lieben, oft erst dann wirklich bewusst werden, wenn wir Angst verspüren, sie hergeben zu müssen. Aus dieser Angst heraus kann eine große Energie entstehen, die uns motiviert zu handeln. Figaro lebt es uns vor.

Damals war die Oper politisch revolutionär, was bleibt davon aus unserer Sicht?

Das Aufbegehren eines Dieners gegenüber seinem Herren, das Lächerlichmachen einer ganzen Klasse, das Aussprechen von oft gedachten Wahrheiten im niederen Volk, das war das Revolutionäre in Beaumarchais Figaro und auch in da Pontes / Mozarts Oper, wenn auch schon wesentlich entschärft. Natürlich sind das Gegenwartsthemen der damaligen Zeit. In gewissem Sinne sind sie sehr gut übertragbar auf heute, aber aufgrund der Wiederholbarkeit innerhalb der Menschheitsgeschichte, keine neuen Themen mehr. Heute revolutionär ist die Figur des Figaro vielleicht aus etwas anderen Gründen. Er steht ein für seine Liebe. Er riskiert alles, um sein persönliches Ziel zu erreichen. Er agiert pausenlos, statt den Kopf in den Sand zu stecken. Irgendwann vielleicht wird dieses Verhalten wieder politisch sein. Dass es Revolution macht, kann ich nur hoffen.

Könnte die Oper auch „Die Hochzeit Susannas“ heißen?

Es ist eine Frage des Focus. Susanna ist die im Stück immer mehr erstarkende Figur. Figaro dagegen verfängt sich in seinen eigenen Plänen. Susanna behält das Ruder in der Hand. Ohne ihre Klugheit und Flexibilität würde Figaro vermutlich scheitern. Dennoch: nachdem Figaro von Susanna erfährt, dass der Graf mit Susanna das „Recht der ersten Nacht“ wieder beleben möchte, ist ER es, der sofort alle Hebel in Bewegung setzt, dies zu verhindern. Von ihm geht in der Geschichte die Aktion aus, wenn sie auch durch Susannas Klugheit motiviert ist.

Welche Rolle spielt Cherubino in der Figurenkonstellation?

Für meine Arbeit mit dem Stück ist Cherubino das wesentliche Zentrum überhaupt, weil er den Eros verkörpert und eine Kraft darstellt, die unabhängig von Moral und Gesetz uns Menschen innewohnt, uns treibt, mobilisiert und manchmal verrückte Dinge mit uns anstellt. Für die Figuren auf der Bühne zumindest wird an einem einzigen Tag das komplette Lebens- und Liebesmodell über den Haufen geworfen.
Deswegen habe ich auf Cherubino und seine archaische Kraft den Focus für die Inszenierung gesetzt. Letztlich laufen wir ihm alle in die Arme. Wir sind Menschen, wir wollen verzaubert und geliebt werden. Cherubino tut dies. Und er tut dies pur, ehrlich und ohne jeden Besitzanspruch. Er personifiziert die reine, wahre Liebe. Deswegen ist seine Wirkung so stark, so dass die einen ihm erliegen und die anderen ihn immer wieder fortjagen. Durch seine Verbannung wird er jedoch nur noch präsenter. Das Unausgesprochene, das Verdrängte, das nicht Zugelassene ist in unserem Leben immer die stärkste Kraft.

Das Interview führte Aud Merkel,
Dramaturgin, Nordharzer Städtebundtheater.

Fotos: Jürgen Meusel