Landestheater Coburg 2008
Premiere: Coburg, 22. Februar 2008

Jason Robert Brown, Jahrgang 1970, gilt als einer der klügsten und raffiniertesten Komponisten und Songschreiber des Broadway seit Steven Sondheim: „Ein führendes Mitglied einer neuen Generation von Komponisten, die zu großen Hoffnungen für das amerikanische Musical Anlass geben“ – so die New York Times.

Sein Kammer-Musical The last five years („Die letzten fünf Jahre“) wurde 2001 am Northlight Theatre in Chicago uraufgeführt, trat dann schnell seinen weltweiten Siegeszug an und zählt seitdem zu den erfolgreichsten Off–Broadway–Musicals.

Kathrin Liebhäuser, Dramaturgin, im Gespräch mit Susanne Knapp

Kathrin Liebhäuser: „Die letzten fünf Jahre“ ist in vielerlei Hinsicht ein außergewöhnliches Musical. Keine Personalschlacht, sondern ein intimes Kammermusical für zwei Personen. Auch der Aufbau des Stückes ist ungewöhnlich. Worum geht es?

Susanne Knapp: Es wird eine fünfjährige Beziehungsgeschichte durchlebt. Vom ersten Rendezvous über die Hochzeit zur Trennung. Cathy, eine Schauspielerin, durchlebt die Geschichte rückwärts, Jamie, erfolgreicher Schriftsteller, vorwärts. Beide Erzähl-Perspektiven treffen sich im Stück nur einmal wirklich zeitgleich: wenn Jamie und Cathy heiraten.

Liebhäuser: Diese Struktur gibt Ihnen als Regisseurin ganz schön anspruchsvolle Vorgaben …

Knapp: Ich find es interessant, dass dieses Stück so klar strukturiert ist. Ich finde, dass Gerüste und Formen unheimlich befreien können.
Das Raffinierte ist, dass man alle Entwicklungsstadien einer Beziehung gleichzeitig auf der Bühne hat. Zu Beginn des Musicals sehen wir die todunglückliche Cathy und den euphorisch verliebten Jamie. Am Ende ist es umgekehrt. Doch es ist die gleiche Beziehung. Nur versetzt, umgedreht, spiegelverkehrt. Der Abend könnte im Prinzip am Ende wieder von vorn anfangen und jede Figur am jeweils anderen Startpunkt beginnen.
Wir bekommen so etwas wie ein Modell davon, wie Liebesbeziehungen überhaupt ablaufen. Das hat mythische Dimensionen, die sich ihren Raum suchen in der Liebesgeschichte von Jamie und Cathy, die uns aber alle etwas angehen, weil wir sie kennen.

Liebhäuser: Ihr Verhältnis zu Musical an sich …?

Knapp: Musical ist eine Herausforderung für mich. Das Leichte ist das wirklich Schwere. Doch es geht schließlich auch im Musical – wie in der Oper – darum, Geschichten authentisch zu erzählen. Ich denke, im Musical suchen sich die Geschichten der Menschen ein anderes, ein leichteres Kostüm.
Die Musik in „Die letzten fünf Jahre“ ist rhythmisch, körperlich und durch die Instrumentierung (Klavier, Streicher und Gitarre) transparent und vielschichtig zugleich. Es wird viel getanzt – Cathy und Jamie bekommen auf der Bühne von eifersüchtigen Ex-Freundinnen, gierigen Journalisten und verrückten Mitbewohnern kräftig Unterstützung.
Die Zusammenarbeit mit unserem Choreografen Daniel Cimpean ist für mich hierbei unheimlich inspirierend.

Liebhäuser: Das Stück spielt zum großen Teil in New York. Wie wichtig ist die Stadt als Schauplatz im Hintergrund?

Knapp: Amerika steht vor allem für den Einfluss auf unser Bild von der modernen Welt. Jamie und Cathy leben mit Erfolgsdruck, Schönheitswahn, Telefonterror. Aber eben auch mit dem großen Traum von der Liebe, die erlösen und retten soll. Das ist wie im Märchen, wo der Prinz die Prinzessin wach küsst oder der Frosch sich in den Traummann verwandelt.
Das sind Ur-Mythen. Die gehen auch in unserer schnellen, auf Äußerlichkeiten fixierten Welt nicht verloren. Deswegen berührt Theater und Oper ja so. Das Wesentliche ist immer in uns. Und das Wesentliche ist nicht nur tragisch. Es ist zum Glück auch komisch.

Liebhäuser: Das klingt vom Inhalt her alles ziemlich anspruchsvoll für ein Musical.

Knapp: Ja, aber anspruchsvoll heißt ja nicht humorlos. Im Gegenteil. Mit Abstand betrachtet ist alles absurd. Das eigene Leben aus der Vogel-Perspektive gesehen, ist oft viel lustiger als es sich erst mal anfühlt. Und man kann Dinge leichter betrachten. Das versuchen wir in unserer Arbeit auch. Hier geht es ja schließlich um die Liebe. Die hat zwar Ecken, Kanten und ein Ende, aber eben vor allem auch viel Rhythmus, Hingabe, Witz und Leichtigkeit.